Schweizer Unternehmen setzen auf Cloud-Anbieter mit lokaler Präsenz
Im Markt für Infrastructure-as-a-Service (IaaS) bevorzugen Schweizer Unternehmen aller Größenordnungen Cloud-Anbieter mit einer starken lokalen Präsenz. Entsprechend wird der Schweizer IaaS-Cloud-Markt von der Nachfrage nach lokalen und sicheren Infrastruktur-Lösungen getrieben. Dies zeigt der neue große Anbietervergleich „ISG Provider Lens Switzerland 2019 – Cloud Transformation/Operation Services & XaaS“. Laut der vom Marktforschungs- und Beratungshaus ISG Information Services Group jährlich durchgeführten Schweizer Studie ist Swisscom klarer Marktführer, gefolgt von IBM, T-Systems und Atos. Über den IaaS-Markt hinaus bewertete ISG in der Studie insgesamt 71 Anbieter in drei Teilmärkten.
„Wie bereits im vergangenen Jahr folgt der Schweizer Markt für Cloud-Dienstleistungen ganz eigenen Gesetzen“, sagt Heiko Henkes, Director Advisor der ISG Information Services Group und Lead Advisor der Studie. „Denn mehr noch als in anderen Ländern legen die Cloud-Kunden in der Schweiz großen Wert darauf, dass die bereitgestellten Dienste physisch in der Schweiz oder zumindest den direkten Nachbarländern gehostet und bereitgestellt werden.“ Zugleich sei eine Marktkonsolidierung zu beobachten: „Der IaaS-Public-Cloud-Markt für Hyperscaler wird zunehmend von ein paar wenigen Anbietern beherrscht, da diese auch die höchsten Infrastrukturinvestitionen vornehmen“, so Analyst Henkes. „Zudem hat der chinesische Hyperscaler Alibaba angekündigt, aufgrund neuer Regulierungen und Zölle nicht in die USA zu expandieren. Stattdessen scheint Alibaba nun Europa und die europäischen Anbieter ins Visier zu nehmen.“
Als weiteren Haupttrend verzeichnet die ISG-Studie einen Übergang zu Multi-Cloud-Strategien, die auf mehrere Cloud-Provider gleichzeitig setzen. Grund seien die immer spezialisierteren Angebote der Hyperscaler. Dadurch können Unternehmen genau den Service auswählen, der zu einer bestimmten Applikation beziehungsweise Geschäftsanforderung passt. Seitens der Anbieter setzen vor allem mittelständische Cloud-Provider auf spezialisierte Angebote, während die großen Service-Anbieter vor allem mit der Optimierung der IT-Infrastrukturen und -Systeme punkten.
Abbildung 1: Heiko Henkes, Director Advisor bei der ISG Information Services Group: „Der Schweizer Markt für Cloud-Dienstleistungen folgt ganz eigenen Gesetzen.“
Insgesamt hat ISG 22 Anbieter auf dem Schweizer Markt für „IaaS – Enterprise Cloud“ untersucht. Im „Leader“-Quadrant dieses Marktsegments konnten sich sieben Anbieter positionieren: Neben der Swisscom sind dies Atos, Bechtle Steffen, EveryWare, IBM, MTF und T-Systems.
Abbildung 2: Im „Leader“-Quadranten des Marktsegments „IaaS – Enterprise Cloud“ konnten sich sieben Anbieter positionieren.
Neben den Anbietern für „IaaS – Enterprise Cloud“ hat die ISG-Studie zwei weitere Teilmärkte analysiert: „Public Cloud Transformation“ und „Managed Public Cloud Services“.
Abbildung 3: Untersuchte Marktsegmente im „ISG Provider Lens Switzerland 2019 – Cloud Transformation/Operation Services & XaaS“
Public Cloud Transformation
Im internationalen Vergleich fragen Schweizer Kunden Public Cloud-Kompetenzen wenig nach. Dadurch hegen die IT-Dienstleister auch kein großes Interesse an Partnerschaften mit Public Cloud-Providern. Eine Ausnahme stellt Microsoft als etablierter Software-Anbieter für den Mittelstand dar. Vielmehr setzen Schweizer Unternehmen weiterhin in hohem Maße auf traditionelle Angebote für IT-Servicearchitekturen und andere bekannte und vertraute Servicebereiche. Nach Einschätzung der ISG-Analysten wird sich dies jedoch bald ändern, da insbesondere die großen internationalen Cloud-Provider funktional vergleichbare Leistungen anbieten, die zugleich günstiger und besser skalierbar sind.
„Langfristig kommen auch Schweizer Unternehmen nicht umhin, neue Trends zu übernehmen, zu implementieren und auf Basis von DevOps-Methoden kontinuierlich zu testen“, ist ISG-Analyst Heiko Henkes überzeugt. „Denn die neuen digitalisierten Ökosysteme arbeiten nicht in geschlossenen Umgebungen.“ Dementsprechend gebe es mittlerweile auch in der Schweiz viele junge Unternehmen, die sich mit Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz, dem Internet der Dinge, Blockchain oder Datenanalytik beschäftigen. Sie seien dabei nicht nur auf der Suche nach einem Standort in der „IT-Hauptstadt“ Zürich, sondern auch auf der Jagd nach Immobilien in der Region Baar/Zug, dem sogenannten „Crypto Valley“.
Managed Public Cloud Services
IT-Dienstleister in der Schweiz managen ihre eigenen Rechenzentren vor allem mit VMware. Diese eigenen Anlagen werden zunehmend kleiner oder stagnieren. Deshalb geht bei modernen Dienstleistern die Tendenz in Richtung hoch standardisierter und skalierbarer Colocation-Rechenzentren. An zweiter Stelle steht mittlerweile die Public Cloud des Hyperscalers Microsoft, Microsoft Azure. Nur wenige, größtenteils global aufgestellte IT-Dienstleister können auch mit anderen Plattformen umgehen. Dementsprechend hat ISG in der Schweiz eine klare „Microsoft first“-Strategie festgestellt. Im Gegensatz zu den globalen Marktanteilen ist Microsoft in der Schweiz der Public Cloud-Provider Nummer eins, gefolgt von Amazon Web Services (AWS), IBM und Google.
Den meisten kleinen und mittelständischen Kunden fehlt es an den erforderlichen Kenntnissen oder einer IT-Abteilung, sodass sie die Betriebsverantwortung auch weiterhin Service-Providern überlassen. Großunternehmen hingegen übernehmen die Kontrolle über die interne IT eher wieder selbst. Die Rolle von Dienstleistern besteht hier vor allem darin, parallel Trainings durchzuführen. Insgesamt fehlt es dem ganzen Schweizer Markt deutlich an erfahrenen und ausgebildeten beziehungsweise zertifizierten Public Cloud-Systemingenieuren und -Architekten.
Die meisten Schweizer Unternehmen sehen mittlerweile die Notwendigkeit, Public Cloud-Optionen und
-Erweiterungen bei ihren Planungen mit einzubeziehen. Vor allem wegen ihrer Zusammenarbeit mit Public Cloud-Providern haben sich hier die Managed Service Provider zu Verbündeten bei der strategischen Public Cloud-Transformation entwickelt. Meistens unterstützen sie ihre Kunden durch Public Cloud-Funktionen und -Services dabei, Geschäftsanforderungen zu adressieren und entsprechende Chancen zu nutzen. Hinzu kommt ein sicherer, schlanker und hoch automatisierter technischer Betrieb, der die Kosten senkt. Aktuell stehen die am Schweizer Markt agierenden Provider von Managed Public Cloud Services laut ISG vor allem vor folgenden Herausforderungen: Sie müssen mit den Neuentwicklungen und Erweiterungen der großen Public Cloud-Provider Schritt halten und sie müssen erforderliche Wartungsaufgaben angehen sowie ein besseres Verständnis für ihre Kunden und deren Geschäftsprozesse entwickeln.
Schweizer IT Service-Provider sehen sich mit zahlreichen Regulierungen seitens der 26 Schweizer Kantone konfrontiert, die in Teilen auch eine strikte lokale Datenhaltung für beispielsweise den Banking- und Health-Sektor vorgeben. Als Nicht-EU-Mitglied unterscheidet sich die Schweiz hier deutlich von ihren europäischen Nachbarländern und insbesondere von Skandinavien. „Für Provider und Kunden kann dies im internationalen Wettbewerb hinderlich sein“, meint ISG-Analyst Heiko Henkes. Derzeit bewegten sich die internationalen Public Cloud-Provider zwar auf die Schweiz zu, indem sie regionale Rechenzentren anmieten, neue Non-US-Geschäftseinheiten gründen und mit vor Ort etablierten Providern Partnerschaften und somit den Kundenkontakt suchen. „Doch sollte die Politik parallel dazu die Compliance-Frameworks der Schweizer-Kantone überprüfen und modernisieren. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Unternehmen künftig Datenflucht aus der Schweiz begehen müssen, wenn sie im Kampf um Innovationsgeschwindigkeit und Unternehmensagilität mithalten wollen.“